Von der PowerPoint zur Praxis: Wie Strategien endlich wirksam werden

Thomas Huber
06. Juli 2025

"Unsere Strategie ist großartig – nur umsetzen tut sie keiner."

Willkommen in der PowerPoint-Hölle.

Hier leben 95% aller Unternehmensstrategien ein einsames Leben zwischen Slide 23 und 47, bevor sie qualvoll in der Schreibtischschublade enden.

McKinsey-Studien bestätigen: 45% von 800 befragten Führungskräften gaben zu, dass ihre Strategieprozesse die Umsetzung strategischer Initiativen gar nicht verfolgen. Gartner ergänzt: 67% der Schlüsselfunktionen sind nicht mit der Unternehmensstrategie abgestimmt.

Dabei ist das Problem nicht die Strategie. Das Problem sind Führungskräfte, die glauben, Strategieentwicklung und Strategieumsetzung seien zwei verschiedene Dinge. Spoiler: Sind sie nicht.

Strategie-Umsetzung ist kein nachgelagertes Projekt. Es ist integriertes Change Management. Und ohne das ist Ihre brillante Strategie nur teures Papier.

Die klassischen Umsetzungs-Killer, die ich erlebe:

  • Der Verkündigungs-CEO: Präsentiert die neue Strategie in einer 90-minütigen Versammlung und wundert sich, warum drei Monate später alle wieder das Alte machen. Als könnte man Menschen wie Software updaten.
  • Der Detail-Verliebte: Hat für alles einen Plan, aber vergisst die Menschen. 247 Maßnahmen in einer Excel-Tabelle – aber kein einziger weiß, warum er das alles machen soll.
  • Der Ungeduldige: Erwartet nach vier Wochen erste Ergebnisse und nach acht Wochen die komplette Transformation. Kulturwandel dauert aber Jahre, nicht Monate.

Wie geht wirksame Strategieumsetzung wirklich?

1. Beteiligung von Anfang an: Strategiearbeit ist eine "System-Leistung"

"Not invented here" ist der Tod jeder Strategie. Menschen setzen nur um, was sie mitentwickelt haben. Oder zumindest verstehen. 

Nur eine Strategiearbeit, in der gezielt die inhaltliche Strategie, die darauf bezogene Unternehmensstruktur und die unterstützende Unternehmenskultur mitgedacht und mitgestaltet werden, hat eine Chance auf erfolgreiche Umsetzung.

2. Brutale Klarheit statt schöner Worte

"Wir werden kundenorientierter" versteht jeder anders. "Jeder Kundenanruf wird binnen 24 Stunden beantwortet" ist klar.

Die meisten Strategien scheitern an schwammigen Formulierungen. Machen Sie den Test: Kann ein Praktikant nach dem Lesen Ihrer Strategie konkret sagen, was er anders machen soll? Nein? Dann ist sie zu vage.

3. Übersetzung in den Alltag

Strategien leben nicht in Quartalsberichten, sondern in Montags-Meetings, Kundenterminen und Kaffeeküchen-Gesprächen.

Konkret: Wenn Ihre Strategie "Innovation" enthält, wie sieht das in der wöchentlichen Teambesprechung aus? Welche Fragen stellen Sie anders? Welche Entscheidungen treffen Sie anders?

4. Quick Wins als Momentum-Builder

Menschen brauchen schnelle Erfolge, um an längerfristige Veränderungen zu glauben.

Beispiel aus der Praxis: Maschinenbau-Unternehmen wollte "agiler" werden. Statt mit der kompletten Organisationsstruktur zu beginnen, haben sie mit der Budgetfreigabe angefangen: Unter 5.000 Euro konnte jeder Teamleiter sofort entscheiden.

Effekt: Binnen vier Wochen waren Projekte 60% schneller. Alle haben gesehen: "Das funktioniert wirklich."

5. Führungskräfte als Übersetzer, nicht als Herrscher

Die Rolle der Führungskraft ändert sich komplett: Vom Anweiser zum Erklärer. Vom Kontrolleur zum Ermöglicher.

Das bedeutet konkret:

  • In jedem Meeting erklären, wie das aktuelle Thema zur Strategie passt
  • Bei jeder Entscheidung transparent machen, welche strategischen Prinzipien dahinter stehen
  • Fehler als Lernchancen behandeln, wenn sie im Sinne der Strategie gemacht wurden

6. Nudges statt Zwang

Menschen ändern ihr Verhalten nicht durch Vorschriften, sondern durch neue Gewohnheiten.

Praxis-Beispiel: Beratungsunternehmen wollte "kollaborativer" werden. Statt lange Schulungen zu machen, haben sie alle Besprechungsräume umgestaltet: Stehtische statt Konferenztische, Whiteboards an jeder Wand, keine festen Sitzplätze.

Effekt: Meetings wurden automatisch interaktiver und kürzer.

Das Drama des typischen Strategieprozesses:

Monat 1-3: Strategieentwicklung (teuer, aufwändig, perfekt)

Monat 4: Kommunikation (PowerPoint-Schlacht)

Monat 5-12: Jeder macht, was er will

Monat 13: "Unsere Strategie funktioniert nicht"

Wie es richtig geht:

Monat 1: Strategie-Hypothesen entwickeln und strategische Ziele formulieren (mit den Leuten, die sie umsetzen sollen)

Monat 2: Erste Tests und Quick Wins

Monat 3: Anpassungen basierend auf Learnings

Monat 4-12: Kontinuierliche Justierung und Verstärkung

Mein Erfolgsrezept für Strategieumsetzung:

Die 3-R-Regel - Und alles im starken Konsens:

  • Relevanz: Warum ist das für MICH wichtig?
  • Realismus: Kann ich das mit meinen Mitteln schaffen?
  • Resonanz: Passt das zu dem, was ich für richtig halte?
  • Starker Konsens: Bei allen strategischen Entscheidungen sollen mindestens 80% derer, die an der Strategie mitarbeiten, zu 80% persönlich zustimmen. "Ich kann damit leben" ist out!

Wenn einer der drei Rs fehlt, wird aus Ihrer Strategie ein Lippenbekenntnis.

Ein Anti-Beispiel zum Schluss:

Produktionsunternehmen, 800 Mitarbeiter. Neue Strategie: "Sustainability First". Umsetzung: Alle bekommen ein Nachhaltigkeits-Handbuch und sollen CO2 sparen. Gleichzeitig: Prämien gibt es weiterhin nur für Produktivität und Kostensenkung.

Ergebnis nach einem Jahr: Das Handbuch liegt ungelesen rum, alle fahren weiter wie bisher.

Die Lösung wäre gewesen: Nachhaltigkeit in die Zielsysteme einbauen, Quick Wins bei Energieeinsparung feiern, Teams für innovative Umweltlösungen belohnen.

Ihre Aufgabe für diese Woche:

Schauen Sie sich Ihre aktuelle Strategie an und fragen Sie ehrlich:

  • Wer außer dem Management kann sie in eigenen Worten erklären?
  • Welche konkreten Verhaltensänderungen erwarten Sie?
  • Was haben Sie in den letzten vier Wochen gemacht, um die Umsetzung zu fördern?

Falls Sie bei der letzten Frage ins Stottern kommen, wissen Sie, woran Sie arbeiten müssen.

Die unbequeme Wahrheit:

Strategieumsetzung ist 20% Planung und 80% Führung. Führung als ständige Übersetzungsarbeit zwischen Vision und Alltag.

Wer das versteht, dessen Strategien leben. Wer das ignoriert, sammelt schöne PowerPoints.

Quellen: McKinsey Strategic Execution Survey (2020), Gartner Strategic Alignment Research (2024), Harvard Business Review "Strategy Execution Unravels" (2015)


3 Impulse für Ihre Organisation:
✅ Schaffen Sie konkrete Umsetzungsprojekte mit klaren Verantwortlichkeiten.
✅ Führen Sie regelmäßige Praxis‑Reviews statt nur theoretischer Diskussionen.
✅ Feiern Sie kleine Erfolge, um Momentum und Motivation aufzubauen.

Ihre Erfahrung: Wo haben Sie erlebt, dass eine Strategie wirklich gelebt wurde? Und wo ist eine gute Idee an schlechter Umsetzung gescheitert?

Das war der letzte Teil meiner kleinen Strategie-Serie. Danke fürs Lesen und Kommentieren. Strategiearbeit lebt vom Austausch – deshalb freue ich mich auf Ihre Erfahrungen und Fragen.

Haaaaaallllltttt.... Haben wir nicht etwas vergessen? Über etwas, was manche Unternehmen noch viel zu oft nicht ernst nehmen, sprechen wir nächste Woche. Stay tuned!

Thomas Huber

Über mich

Thomas Huber. Versteht, dass sich Menschen, Teams und Unternehmen nur gemeinsam entwickeln und entsprechend systemisch ist seine Beratung. Mit Genuss und Neugier hat er eine ziemliche Expertise in allen drei Feldern entwickelt. Neben Strategieentwicklung, Changeprozessen und Teamentwicklung ist die Künstliche Intelligenz in all ihren Anwendungsformen sein Steckenpferd - nicht nur in der Strategieberatung.
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