Werte sind keine Denkmäler, sondern Baustellen. Sie müssen gepflegt, hinterfragt und weiterentwickelt werden.
Gerade jetzt, wo die gesellschaftliche Auseinandersetzung zunimmt.
Wenn sich Unternehmen auch weiterhin bewusst auf eine Werteorientierung verpflichten, stellt sich die Frage: Wie gelingt diese Weiterentwicklung konkret, jenseits wohlklingender Absichtserklärungen? Und wie geht man in der Praxis um mit den aktuellen Verwerfungen, insbesondere in den Bereichern Nachhaltigkeit, Diversity, Equity und Inclusion (DEI)?
Die Entwicklung von Werten selbst wird partizipativer. Statt auf Top-Down-Dekrete setzen moderne Ansätze auf breitere Beteiligung. Tiefe Diskussionen sind hier nicht "in Kauf zu nehmen", sondern der eigentliche Zweck der Übung.
In erster Linie passiert dies zu Anfang in Präsenzveranstaltungen - hier werden Werte gemacht und direkt und gleichzeitig erlebbar: "Welche Werte haben unser Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht?" und "welche Werte brauchen wir angesichts aktueller und zukünftiger Herausforderungen, um - nach außen und nach innen - erfolgreich zu sein?"
Aber auch Online-Tools – von digitalen Umfragen über virtuelle Whiteboards bis zu (KI-gestützten) Textanalysen von Mitarbeiterfeedback – können hier helfen. Sie ermöglichen es auch in großen Organisationen, kontinuierlich Stimmungen einzufangen, Diskussionen anzustoßen und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Aber Vorsicht: Tools sind nur Werkzeuge, keine Lösungen. Sie ersetzen nicht den Dialog und die oft schwierige Aushandlung.
Entscheidend für die Umsetzung in die Praxis ist die Übersetzung von Werten in Nudges (die sanften Stupser): Kleine, oft unbewusste Anstöße können helfen, wertekonformes Verhalten im Alltag zu fördern. Hier ist der wichtigste Hebel, dass sich durch sog. Standard-(default)-Einstellungen Verhaltensweisen in Richtung Unternehmenswerte lenken lassen.
Ein Unternehmen entfernte alle dezentralen Mülleimer und Drucker, sodass Mitarbeiter zum zentralen Müllpunkt bzw. Drucker gehen müssen.
Der Effekt: Weniger Papierverbrauch (man überlegt es sich zweimal zu drucken) und zugleich mehr Bewegung im Büro – ein Nudge zugunsten der Werte Umweltbewusstsein und Gesundheit.
Ähnlich können Kantinen mit Standardeinstellungen arbeiten: Gesunde oder vegetarische Optionen an erster Stelle anbieten, Obst auf Augenhöhe präsentieren – die Wahlfreiheit bleibt, aber die gewünschte Option wird gefördert.
Die physische Arbeitsumgebung kann so gestaltet werden, dass sie an Werte erinnert.
Beispiel Integrität:
Studien zeigen, dass bereits das Aufhängen von Bildern ethischer Vorbilder (respektierte Persönlichkeiten, die für Integrität stehen) das Verhalten beeinflusst. Die Mitarbeiter agieren messbar ethischer, wenn solche Impulse im Büro präsent sind.
Beispiel Zusammenarbeit:
Bürokonzepte, die Zufallsbegegnungen fördern, nudgen ebenfalls in Richtung offener Kultur. Genauso wie auch interne Nudges wirken: Abteilungen mischen, offene Treffpunkte schaffen – so wird der Wert Teamwork spielerisch gefördert und Mitarbeiter verlassen ihre Silos häufiger.
Auch durch soziale Normen und Timing lassen sich Werte implizit steuern.
Gesundheitskultur fördern: "Walking Meetings" als voreingestellte Option
In Meeting-Tools könnte die Option “Walking-Meeting” voreingestellt und als empfohlene Wahl markiert sein. Untersuchungen zeigen, dass wenn Mitarbeitern die Auswahl “klassisch sitzen” vs. “Spaziergang” mit einem kleinen Hinweis präsentiert wird („von den meisten gewählt: Gehen“), deutlich öfter bewegte Meetings stattfinden – ein Nudge in Richtung Gesundheit und Innovation (frische Luft fördert kreatives Denken).
Wertschätzung verankern: "Kudo-Karten" und "Praise-Tools" für positive Verstärkung
Um den Wert Wertschätzung oder Anerkennung zu verankern, kann man Kudo-Karten oder digitale "Praise-Tools" für "Random Acts of Kindness" einsetzen, die regelmäßig zum Feedback geben anregen. Wenn Kolleg*innen sehen, dass wertgerechtes Verhalten (z.B. Hilfsbereitschaft, Kundenorientierung) öffentlich gelobt wird, orientieren sie sich eher daran. Diese sozialen Nudges funktionieren, weil sie positive Verstärkung bieten statt Zwang – und die intrinsische Motivation steigern.
Nach den Nudges gehen wir im nächsten Schwerpunktbeitrag zur Frage, wie Kultur durch Strukturen aktiv gestaltet werden kann.
LINKS zu WERTE-TOOLS
Cultureamp Link zu einer sehr übersichtlichen Website und gut visualisiertes DEI-Produkt
Nudging im Unternehmen Eine gute Erläuterung des Themas "nudging in the workplace" an Beispielen.