Die Logik der Wertepositionierung vs. die Realität der Unternehmenszurückhaltung.
Obwohl es, wie die Einführung zeigt, logisch fast zwingend ist: Was hält aktuell Unternehmen dennoch davon ab, sich klar zum Thema Werte zu positionieren? Warum diese Zurückhaltung in einer Zeit, die doch Transparenz und Authentizität geradezu einfordert? Nun,- genauso laut wird genau das Gegenteil gefordert.
Deshalb zögern viele. Das Zaudern hat Gründe, die tiefer liegen als bloße Kommunikationsschwäche.
In einer polarisierten Öffentlichkeit kann jede klare Positionierung zum Bumerang werden. Wer sich für Diversity, Equality und Inclusion (DEI) stark macht, riskiert den Zorn konservativer Kreise oder die Häme derer, die "Wokeness" als Feindbild auserkoren haben – siehe die teils heftigen Reaktionen auf Kampagnen von Unternehmen wie z.B. Bud Light in den USA.
. Werte sind keine mathematischen Formeln. Was für die eine Führungskraft ein unverhandelbarer Grundsatz ist, mag für den anderen nachrangig oder gar bedeutungslos sein. Und aktuell zeigt sich deutlich die schon früher oft beschworene "politische Spaltung von Gesellschaften": Während die Hälfte der Wählerinnen und Wähler immer noch klar auf demokratische und liberale Werte setzen, tendiert die andere Hälfte deutlich zu konservativ bis zu eindeutig rechts(extrem). Und diese Spaltung macht ja nicht an den Werkstoren halt. Eine klare Positionierung nach außen setzt für Unternehmen einen mühsamen, möglicherweise schmerzhaften Klärungsprozess nach innen voraus. Viele scheuen diesen Konflikt. Denn die Konsequenzen einer Positionierung wären … heftig!
Wer hohe Werte proklamiert, muss sie auch im Alltag einlösen und einfordern. Das kann anstrengend und teuer werden. Die Lücke zwischen Anspruch (z.B. Nachhaltigkeit) und Wirklichkeit (z.B. Lieferkettenprobleme) ist oft groß. Die Angst, als "Woke Washer" oder Greenwasher entlarvt zu werden, führt lieber zum Schweigen als zum Handeln mit Risiko. Gutes Beispiel hierfür ist die strategische Kehrtwende bei Mercedes Anfang April 2025: Die Rücknahme der Klima-Komponente bei den Manager Boni (nach nur 2 Jahren Gültigkeit) bewerten wichtige Investoren deutlich negativ und attestieren Mercedes ein "Glaubwürdigkeitsproblem".
Echte Werte-Arbeit bedeutet, Geschäftsmodelle, Prozesse und Anreizsysteme zu hinterfragen und ggfs. neu auszurichten. Das ist aufwendig und kann kurzfristig wehtun. Es scheint deutlich einfacher, sich auf das bewährte Primat der Quartalsergebnisse zurückzuziehen. Und: Es steht die berechtigte Frage im Raum: wie viel Energie können Führungskräfte und Mitarbeitende aktuell aufbringen. Die Zeiten sind fordernd und anstrengend und die Positionierung und Arbeit mit Werten kommt „on top“. Doch genau hier wird es spannend: Welche Priorität setzen wir als Unternehmen?
Für das Zaudern gibt es viele Ursachen. Im nächsten Teil unseres Schwerpunktes versuchen wir, eine Entscheidungshilfe dafür zu geben, mit welcher Haltung zu DEI und welchem Führungsansatz Unternehmen und Führungskräfte in die Zukunft gehen könnten. Es deshalb um die Frage, welches Führungsverständnis unser zukünftiges Handeln dem Unternehmen prägen kann.