Blockierer sichtbar machen und gut damit umzugehen, damit wir Veränderung erfolgreich gestalten , war eine wichtige erste Perspektive.Doch wer Veränderung wirklich steuern will, kommt an einem weiteren Thema nicht vorbei: Macht.
Weil wir Macht fast automatisch mit Missbrauch, Dominanz oder Kontrolle verbinden. Wir denken an „die da oben“, an Hinterzimmer, an Manipulation. Aber Macht ist zunächst einmal neutral: Sie beschreibt nichts anderes als die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und Dinge zu gestalten. Ohne Macht keine Veränderung.
Trotzdem wird sie oft verdrängt und genau das macht sie erst gefährlich:
Deshalb ist Macht im Change kein Nebenschauplatz, sondern ein zentraler Steuerungsfaktor.
Und genau deshalb fangen wir eine neue Reihe mit diesem wichtigen Fokus für Change-Varantwortliche hier an:
Wie wirkt Macht: offiziell, informell, politisch? Wie beeinflusst sie Entscheidungen, Verantwortung, Vertrauen? Und was braucht es, damit sie Veränderung nicht bremst, sondern beschleunigt?
In Veränderungsprozessen gibt es Momente, in denen scheinbar alles vorbereitet ist: Ziele sind klar, Rollen beschrieben, die Abläufe definiert. Und trotzdem: Die Organisation bewegt sich nicht wie sie sollte.
Oft wird dann erstmal an den soliden und „Change Management typischen“ Hebeln und Stellschrauben gedreht: mehr/andere Kommunikation, mehr/andere Beteiligung, mehr/andere Struktur. Was dabei üblicherweise wenig Beachtung findet und noch seltener offen angesprochen wird: Macht.
Damit ist nicht nur die formale Macht gemeint, die auf Organigrammen sichtbar ist.Sondern auch die leisen, stabilen Einflussstrukturen, die aus Beziehungen, Loyalitäten und Gewohnheiten, oder aus partikularen Interessen entstehen. Dabei wirken die gegebenenfalls stärker als jede „offizielle“ Entscheidung.
Wenn Strukturen sich verändern, bleibt Macht nicht neutral
Ein Werk löst seine klassische Linienorganisation auf. Projektstrukturen sollen künftig führen. Formal ist alles geregelt. Aber sobald Entscheidungen anstehen, wenden sich die Mitarbeitenden an ihre bisherigen Vorgesetzten. Nicht aus Widerstand oder Unklarheit, sondern aus Vertrautheit. Aus Bindung. Weil Macht nicht einfach verschwindet, wenn man Strukturen verändert. Sie „verschiebt“ sich in Beziehungen, Netzwerke, Routinen.
Doppelte Machtstruktur
Ein bereichsübergreifendes Projekt gerät ins Stocken. Ein Bereich beteiligt sich kaum, Entscheidungen werden verschleppt. Die Projektleitung vermutet Desinteresse oder operative Überlastung bis deutlich wird, was wirklich dahinter steckt:
Zwei Teamleiter sind für denselben Bereich zuständig. Der eine ist der Produktionslinie unterstellt, der andere berichtet an die Projektleitung. Eine typische Matrix Konstellation. Beide haben formal Entscheidungsbefugnis, aber keiner von beiden ist klar erkennbar „derjenige, der entscheidet“.
Das Besondere in diesem speziellen Fall: Im Alltag hat einer der beiden mehr Einfluss: Er ist länger im Unternehmen, kennt die Leute in dem Bereich, genießt Vertrauen. Der andere hat "nur" die offizielle Projektverantwortung. Zwischen beiden läuft schon länger ein stiller Machtkampf, den niemand offen anspricht.
Die Folge: Mitarbeitende warten ab. Führungskräfte schieben Entscheidungen. Nichts bewegt sich, bis klar ist, wessen Linie sich durchsetzt.
Das Problem war demnach nicht fehlendes Engagement, sondern eine doppelte Machtstruktur, die Unsicherheit erzeugt und Verantwortung verwässert. Solange es nicht geklärt ist, wer tatsächlich entscheidet, läuft das Projekt schleppend.
Macht ist eben kein Randthema, sondern ein zentraler Faktor für Steuerungsfähigkeit. Sie prägt, wie Informationen fließen, wer gehört wird und wie Entscheidungen zustande kommen. Solange diese Dynamiken nicht sichtbar sind, behandeln Organisationen Symptome: Workshops werden optimiert, Rollen nachgeschärft, Ziele angepasst, etc. Aber das eigentliche Geflecht, das die Veränderung trägt oder bremst, bleibt unberührt.
Es bedeutet, echte Einfluss- und Entscheidungswege anzuerkennen. Nicht nur die offiziellen. Es bedeutet, Vertrauen, Einfluss und Interessenlagen ernst zu nehmen. Und es bedeutet, Veränderung nicht nur entlang formaler Prozesse zu denken, sondern entlang der realen Dynamik im System.
Solange Macht unsichtbar bleibt, werden Symptome behandelt, aber nicht die Ursache.Sichtbare Macht ist kein Risiko, sondern die Voraussetzung für echte Zusammenarbeit.
Change-Prozesse scheitern nicht daran, dass Macht existiert.Sie scheitern daran, dass niemand sie klar benennt, bewusst adressiert und in die Steuerung einbindet.
Macht ist kein Feind. Aber sie ist auch kein neutrales Spielfeld.Sie ist eine Kraft. Wer sie ignoriert, wird von ihr überrascht. Wer sie versteht, gewinnt Handlungsspielraum.
Im nächsten Artikel zeigen wir, wie diese drei Kräftefelder on Macht, Einfluss und Interessen in Organisationen wirken. Und wie sie bewusst navigiert werden können, damit Veränderung tragfähig wird.— und wie man sie sichtbar, lesbar und navigierbar macht.
Schnelle Ideen: Was Führung tun kann, damit Veränderung gelingt.
Interessante Forschung zu dem Thema Macht im Projekt :
Greer, L. L., Van Bunderen, L., & Yu, S. (2017) beschreiben in ihrer Studie "The dysfunctions of power in teams: A review and emergent conflict perspective." (In: Zeitschrift: Research in Organizational Behavior, 37, S. 103-124), dass unklare Machtverhältnisse Lern- und Veränderungsprozesse stark behindern. Verdeckte Machtstrukturen führen zu Misstrauen, Schweigen und Entscheidungsverzögerung. Sobald jedoch Macht besprechbar wird, kann Energie wieder in die Sache fließen.