Wenn wir Macht in Organisationen betrachten ist es wichtig, genau hinzusehen: Es sind unterschiedliche Kräfte im Spiel. Manchmal sichtbar, manchmal unsichtbar, mal formell mal informell.
Die Brille, die Sie bei der Analyse von „Macht“ in Ihrem Change Prozesses aufsetzen, muss gut kalibriert sein: Denn wir verwenden Begriffe wie„Macht“,„Einfluss“,„Politik“, nicht immer im exakten Wortsinn: Diese Begriffe beschreiben nicht dasselbe. Aber für eine gute Intervention müssen müssen Sie wissen, in exakt welchem „Spiel“ Sie sich gerade bewegen.
Im „offiziellen“ Spiel gelten Strukturen, Prozesse und Zuständigkeiten. Hier sind Positionen angesiedelt, Budgets und Verantwortlichkeiten.
Dieses Spiel ist notwendig, weil es Orientierung liefert. Aber es zeigt eben nur einen Teil der Realität: die sichtbare Oberfläche. Als Organigramm, als offizieller Job Title, als vereinbarter Prozess.
Macht wird in diesem offiziellen Spiel also durch Hierarchie, durch Mandat oder durch Funktion verliehen. Und sie endet offiziell , wenn die Rolle offiziell endet. Und genau deshalb verlagert sich genau diese Energie so oft in die anderen Spiele, sobald sich die Organisation verändert!
Unter der Oberfläche läuft ein zweites Spiel: das soziale.
Hier geht es um Beziehungen, Glaubwürdigkeit, Sympathie. Einfluss entsteht wenn Menschen Vertrauen schenken, Rat suchen oder sich an anderen orientieren. Und dieses soziale Spiel ist stark, weil es auf Erfahrung, Verlässlichkeit und Nähe basiert und eben nicht auf formeller Autorität.
In Veränderungsprozessen zeigt sich das oft darin, dass nicht der offizielle Projektleiter, sondern eine informelle Bezugsperson den Kurs bestimmt. Und das ist kein Fehler im System, sondern Ausdruck gelebter Kultur.
Das dritte Spiel ist das politische.
Obwohl es fast immer da ist, wird selten offen darüber gesprochen. Darin geht es um Machtverteilung, Ressourcenschutz, Deutungshoheit. Als Veränderungsverantwortliche auch das im Blick zu behalten ist aber unerlässlich, denn wer Politik ignoriert, verliert oft, ohne zu wissen warum eigentlich.
Dabei ist Politisches Handeln nicht automatisch manipulativ. Es ist die Art, wie Menschen in komplexen Systemen versuchen, ihre Interessen zu wahren oder umzusetzen. Problematisch wird es, wenn das politische Spiel das offizielle dominiert, wenn also persönliche Agenden wichtiger werden als das gemeinsame Ziel.
Diese drei Spiele laufen im Normalfall gleichzeitig ab. Und oft miteinander verbunden: Das offizielle Spiel gibt Struktur, das soziale schafft Vertrauen, das politische sorgt für Bewegung.
Die Organisationsforscherin Kathleen Eisenhardt (Stanford University) hat in ihren Studien zu Entscheidungsdynamiken in Teams und Organisationen gezeigt: Teams, die formale Regeln klar halten, soziale Bindungen aktiv gestalten und politische Interessen transparent verhandeln, treffen schnellere und tragfähigere Entscheidungen.
Eisenhardt hat dafür u. a. High-Performance-Teams in Tech- und Industrieunternehmen untersucht. Ihr zentrales Ergebnis: nicht die Abwesenheit von Macht und Politik, sondern deren bewusste Steuerung macht Organisationen entscheidungs- und veränderungsfähig.
Macht, Einfluss und Politik sind keine Störungen! Sie sind die Mechanik, durch die Organisationen funktionieren. Wer diese Dynamik versteht, kann aktiv gestalten, statt überrascht zu werden.
Im nächsten Artikel geht es vertieft noch einmal um genau das: Wie Sie Einflussnetzwerke sichtbar machen, Machtarchitekturen steuern und Veränderung damit beschleunigen.
Quellen: