Führen, wenn KI mit am Tisch sitzt.

Thomas Huber
23. November 2025

Wer heute über „Führung und KI“ spricht, landet schnell bei Toolvergleichen oder Prompt-Tipps. Das ist nicht der Kern.
KI ersetzt keine Führung. Wohl aber verändert sie die Bedingungen, unter denen Führung wirkt.

In vielen Organisationen war Führung lange eng mit Wissensvorsprung verbunden. Dieses Fundament bröckelt seit Jahren durch Expertenteams und komplexere, schnellere Märkte und hochspezialisierte Mitarbeitende. Mit KI fällt es endgültig: Wissen ist plötzlich breit verfügbar und ultraschnell. Und dabei nicht immer 100% zuverlässig.
Knapp wird deshalb nicht Information, sondern Orientierung und das Maß, an dem wir bewerten.

Forschende der Stanford University beschreiben diese Veränderung: Künstliche Intelligenz ist kein weiteres Tool im Werkzeugkasten der Führung, sie wird zunehmend Teil der strategischen Architektur selbst. Führungskräfte, so Stanford, stehen künftig weniger vor der Aufgabe, Informationen zu sammeln oder zu bewerten. Ihre Verantwortung liegt darin, zu entscheiden, wofür KI eingesetzt wird, welche Fragen sie beantworten soll und welche Grenzen gelten.

KI verschiebt den Fokus von „Wissen haben“ zu „Richtung geben“. Sie macht Entscheidungen datenreicher, aber nicht automatisch klüger. Genau hier beginnt Führung im eigentlichen Sinne.

Das führt uns zum ersten Punkt: Gute Führung bedeutet heute nicht, am meisten zu wissen, sondern den Kurs zu halten auch dann, wenn KI scheinbar alle Antworten kennt.

1. Führung schafft Orientierung im Zeitalter der KI

Führung heißt in diesem Kontext, den Kompass zu halten, während KI Daten liefert.

Stanford spricht von „human-centered AI leadership“.  Führung, die Technologie nicht ersetzt, sondern ihr einen Platz im System gibt, ohne Verantwortung abzugeben.

Oder anders gesagt: KI soll (und muß) den Input geben. Aber Orientierung bleibt menschlich.

Und die Leitplanke dafür ist die Unternehmensstrategie. Sie dient als Leitlinie für alle Entscheidungen.

Führung übersetzt in dieser Betrachtungsweise die strategische Richtung in klare Team-Entscheidungen: Wofür setzen wir Ressourcen ein? Was lassen wir? Welche Kriterien gelten, wenn KI mehrere Wege aufzeigt?
Strategie wird so zur gelebten Entscheidungslogik und damit noch zentraler.

2. Führung gestaltet Entscheidungsprozesse im Umgang mit Künstlicher Intelligenz

KI liefert Vorschläge, aber übernimmt selbst keine Verantwortung.
Wenn diese Lücke offen bleibt, entstehen Grauzonen: Wer entscheidet? Auf welcher Grundlage? Mit welchen Folgen?

Und genau hier entsteht die 2. Funktion von Führung im KI Zeitalter: Führung designt die Entscheidungsarchitektur:

  • Welchen Herausforderungen müssen wir uns stellen, welche Fragen beantwortet werden? 
  • Welche Entscheidungen bleiben grundsätzlich menschlich?
  • Wo nutzt das Team KI als Input, wo zur Vorbereitung, wo als Beschleunigung?
  • Wer zeichnet Entscheidungen ab und wie wird das dokumentiert?

3. Führung als noch wesentlicher kultureller und ethischer Anker bei KI-Einsatz

KI beschleunigt Arbeit und verstärkt aber auch das, was da ist: gute Strukturen wie Schwächen gleichermaßen. Vertrauen oder Misstrauen.

2 Beispiele: 

  1. In einem Unternehmen wurde KI genutzt, um Projektfortschritte automatisch zu bewerten. In Teams mit klaren Verantwortlichkeiten funktionierte das hervorragend, denn die Transparenz half, Entscheidungen schneller zu treffen. In Teams mit ungeklärten Rollen jedoch führte dasselbe Tool zu Konflikten: Die Mitarbeitenden fühlten sich kontrolliert und misstrauten den Daten.
  2. Eine Führungskraft nutzt KI, um Personalentscheidungen datenbasiert zu unterstützen. Diejenigen, die Vertrauen zur Führungskraft hatten und darin, dass das gewählte Tool sorgfältig und „wertekonform“ mit dem Unternehmen ist, sahen einen Zuwachs an Entscheidungsqualität. Bei den anderen, die wo das Vertrauen fehlte, wurde dieselbe Anwendung als Überwachung erlebt und in der Folge zogen die Mitarbeitenden sich zurück.

KI ist kein neutraler Beschleuniger. Sie verstärkt die Kultur, die sie vorfindet. Wenn Strukturen klar und Beziehungen tragfähig sind, macht KI alles schneller. Wenn sie brüchig sind, macht sie die Risse nur sichtbarer. Und: Die größten Unterschiede in der Wirksamkeit von KI entstehen nicht durch Technologie, sondern durch den Kontext, in dem sie eingesetzt wird (SHRM, 2024)

In diesem Umfeld braucht es Führung als Anker:

  • kulturell: Was gilt bei uns, wenn es schnell gehen muss?
  • ethisch: Wo ziehen wir Grenzen, auch wenn etwas machbar ist?
  • sozial: Wer wird gehört, wer fällt durchs Raster, wenn KI dominiert?

KI führt nicht. Aber sie verändert die Lage, in der Führung Haltung zeigen muss.

Fazit: Führung behält Bedeutung durch Haltung, Richtung und Klarheit im KI-Zeitalter

KI  macht sichtbar, welche Führung trägt, wenn Wissen überall ist, das Tempo steigt und Verantwortung leicht „zerläuft“.
Gefragt sind: Orientierung aus Strategie, klare Entscheidungsarchitektur und kulturelle Verankerung.
Das ist der Hebel, mit dem Führung Bedeutung und Wirkung behält.

Ausblick auf Teil 2:
Im nächsten Artikel geht es um: Wenn KI blockiert statt befreit. (Und das zu verhindern Aufgabe von Führung ist)

Quellen: 

https://www.clearadmit.com/2025/06/ai-management-and-innovation-insights-from-a-stanford-gsb-professor/

https://www.mckinsey.com/capabilities/tech-and-ai/our-insights/superagency-in-the-workplace-empowering-people-to-unlock-ais-full-potential-at-work


3 Impulse für Ihre Organisation:

  1. Führung braucht strategische Orientierung statt reinen Wissensvorsprung
  2. Entscheidungsprozesse müssen KI-bewusst gestaltet und verantwortet werden
  3. Kulturelle und ethische Klarheit stärken den effektiven KI-Einsatz

Reflexionsfrage:
Was davon passt zu Ihrer Organisation – und wo könnte ein erster Schritt liegen?

Thomas Huber

Über mich

Thomas Huber. Versteht, dass sich Menschen, Teams und Unternehmen nur gemeinsam entwickeln und entsprechend systemisch ist seine Beratung. Mit Genuss und Neugier hat er eine ziemliche Expertise in allen drei Feldern entwickelt. Neben Strategieentwicklung, Changeprozessen und Teamentwicklung ist die Künstliche Intelligenz in all ihren Anwendungsformen sein Steckenpferd - nicht nur in der Strategieberatung.
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