Wir haben in den letzten Beiträgen über Macht, Einfluss und Interessen als neutrale, inhärente Steuerungsgrößen jeder Organisation gesprochen. Doch wer Organisationen führt oder verändert, weiß: Macht ist nicht nur ein neutrales Instrument. Sie kann missbraucht werden.
Machtspiele, Selbstdarstellung, subtile Sabotage, genau das sind die Schattenseiten, die in komplexen Systemen keine Betriebsunfälle sind, sondern systemische Muster menschlichen Handelns.
Veränderung trifft immer auf Menschen, die Macht nicht als geteilte Verantwortung, sondern als persönliche Ressource verstehen, diese gezielt nutzen. Sie suchen nicht die beste Lösung, sondern die Position, in der sie steuern, deuten und entscheiden können. Und sie kennen die Schwachstellen des Systems: Sie nutzen informelle Netzwerke, schaffen Ambiguität und verschieben Verantwortlichkeiten.
Das ist nicht immer böswillig, aber oft extrem effektiv, besonders, wenn sie auf dem Weg nach oben sind.
Die Forschung ist hier eindeutig: Menschen mit narzisstischen, machiavellistischen oder psychopathischen Persönlichkeitszügen (Dunkle Triade) finden sich überproportional häufig in Top-Führungspositionen. Sie manövrieren sich dorthin, weil sie:
Um diese Dynamik greifbarer zu machen, führten Psychologen der Universität Ulm 2018 den D-Faktor (Dark Factor of Personality) ein. Dieses psychologische Konstrukt beschreibt die gemeinsame Wurzel dieser dunklen Eigenschaften: die Bereitschaft, eigene Interessen durchzusetzen, selbst wenn andere dabei Schaden nehmen.
Schätzungen zufolge zeigen rund zehn Prozent der Bevölkerung überdurchschnittlich hohe Ausprägungen. In komplexen, dynamischen Organisationen, also genau dort, wo Change-Verantwortliche arbeiten, entfaltet dieser Faktor eine disruptive Wirkung.
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Veränderung ist das ideale Biotop für dunkle Machtstrategien. Unsicherheit und Unklarheit schaffen einen Vakuum, den Menschen mit starkem Eigeninteresse besetzen können.
In Phasen der Transformation können sie zu "stillen Kipppunkten“ werden wenn Sie versuchen: Informationsflüsse zu kontrollieren oder strategische Allianzen aufzubauen, um Prozesse nicht offen zu blockieren, sondern subtil umzuleiten oder zu verlangsamen.
Hier ein paar typische Muster der verdeckten Machtausübung in Change-Prozessen:
| Muster | Ziel | Konsequenz für den Change |
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Informationen dosieren |
Deutungshoheit sichern, andere schwächen |
Fehlendes Commitment, Gerüchte, Lähmung der Entscheidungsfähigkeit |
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Entscheidungswege vernebeln |
Intransparenz als Spielwiese schaffen |
Verantwortlichkeiten verwischen, Prozesse kippen, ohne dass der Verursacher identifizierbar ist. |
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Loyalitäten verschieben |
Mehrheiten kippen, Schlüsselpersonen binden |
Funktionierende Allianzen brechen auf, notwendige Unterstützung geht verloren |
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Konflikte eskalieren lassen |
Ablenkung oder Stärkung der eigenen Position |
Fokussierung auf interne Kleinkriege statt auf das Transformationsziel. |
Diese Strategien sind selten laut. Sie sind subtil, systemisch und oft wirksam.
(Wenn Sie unserer vorherigen Artikel dieser Reihe gelesen haben wissen Sie, dass sich das nicht unterscheidet von dem, wie wir auch raten würden mit „Macht“ generell umzugehen :-)
Die „dunkle“ Variante der Macht lässt sich nicht "wegmoderieren." Aber Sie können verhindern, dass sie das Kommando über Ihren Change übernimmt. Das ist keine moralische Frage, sondern eine der Change-Architektur und der Führungs-Klarheit.
Vier strategische Hebel für Führung, OE und Change Verantwortliche:
Wer Veränderung wirklich führen will, muss beides sehen: das Offene und das Verdeckte, das Konstruktive und das Dunkle.
Wer die dunkle Seite der Macht nicht auch mitdenkt, wird von ihr überrascht. Wer sie versteht, bleibt handlungs- und gestaltungsfähig. Das ist der Kern effektiver Führung in der Transformation. Klar, wir sind nicht naiv: Ohne Gelinggarantie, aber ein lohnenswerter Versuch!
Damit endet unser aktueller Schwerpunkt zum Thema „Macht in Change Prozessen“. Wir freuen uns auf Feedback und vor allem auch auf Ihre Best Practices im Umgang mit diesem Thema!
Quellen:
Dunkle Triade: Volmer, J., Koch, I. K., & Wolff, C. (2021). The positive connection between dark triad traits and leadership. Springer.
D-Faktor: Moshagen, M., Hilbig, B. E., Zettler, I.: The Dark Core of Personality. In: Psychological Review, Vol 125(5), Oct 2018, 656-688; dx.doi.org/10.1037/rev0000111