Die Geschwindigkeit und die Intensität, mit der Veränderungen auf Unternehmen zukommen, erinnern an einen Tsunami:
- Globalisierung und Handelskonflikt,
- politische und demografische Verschiebungen,
- neue Marktanforderungen,
- veränderte Kundenbedürfnisse und technologische Disruption
- Digitalisierung und KI,
sorgen für einen beispiellosen Anpassungsdruck. Dieses Kräftefeld bringt Unternehmen und die Menschen in ihnen an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit.
Dementsprechend erreichen Organisationen heute kaum noch statische Zielzustände, sondern müssen vielmehr in der Lage sein, sich kontinuierlich an neue Gegebenheiten anzupassen. Diese Anforderungen verschieben den Fokus vom klassischen „Einmal-Projekt“ der Veränderung hin zu einem „dauerhaften Change-Zustand“, der das gesamte Unternehmen prägt.
Neue Herausforderungen für Change Management
In diesem Kräftefeld wachsen auch die Anforderungen an das Change Management selbst. Folgende "tektonische Bewegungen" treffen auf die Professionelle Rolle und die Aufgaben des Change-Management-Teams:
1. Wirtschaftlichkeit, Zeit- und Kostendruck
- Heute muss CM viel genauer darauf ausgerichtet sein, mit der eigenen Dienstleistung einen zählbaren Beitrag zum Return on Investment (ROI) zu leisten. "Wirtschaftlichkeit in der Veränderung" meint, eine saubere Verknüpfung von Change-Projekten mit der Unternehmensstrategie und den Unternehmenswerten sowie den harten Kennzahlen (Produktivität, Qualität, Kostensenkung, Ertragssteigerung) herzustellen.
- Wir erleben eine drastische Beschleunigung der Unternehmensentwicklung. Ob interne Strategieanpassung, Produkt- oder Prozessinnovationen, Markteintritte in neue Regionen oder Fusionen – Veränderungen müssen heute nahezu in Echtzeit antizipiert und umgesetzt werden.
- Deshalb brauchen wir heute eine Organisationsentwicklung, die mit einer iterativen und lernenden Vorgehensweise in kurzen Zyklen experimentiert, evaluiert und nachjustiert.
- Und die gleichzeitig die längerfristige strategische Veränderungskompetenz des Unternehmens befördert.
2. Digitalisierung und Innovation
- Die digitale Transformation fordert den Einsatz neuer Technologien und auch eine massive Veränderung von Prozessen und Arbeitsweisen im Change Management selbst! Change-Expert:innen müssen sich intensiv mit virtuellen Kollaborationsformen wie #MSTeams oder #Slack, KI-Tools wie #ChatGPT, #DeepSeek, #MSCopilot und unzähligen anderen sowie online Visualisierungen wie #MURAL, #Whiteboard oder #MIRO auseinandersetzen, um zukunftsorientierte Veränderungsprozesse wirkungsvoll, schnell, beteiligungsorientiert und - heute wichtiger denn je - skaliert zu gestalten.
- Gleichzeitig sollte das CM eine aktive Rolle bei der Innovationsfähigkeit des Unternehmens einnehmen: Ein tiefes Verständnis von globalen Megatrends, von aktuell dominanten technischen Innovationen und kommenden Entwicklungen ist unbedingt erforderlich. Change Management sollte in der Lage sein, neue strategisch förderliche Impulse zu der eh schon schwergewichtigen operativen Perspektive im Unternehmen zu setzen.
3. Die Menschen: Psychische Belastung im Wandel
- Laut Bundesministerium für Gesundheit gehen "rund 15 Prozent aller Fehltage … auf Erkrankungen der Psyche zurück. Besondere Brisanz erhalten psychische Erkrankungen auch durch ihre Krankheitsdauer, die mit durchschnittlich 36 Tagen dreimal so hoch ist wie bei anderen Erkrankungen mit zwölf Tagen. Dabei sind sämtliche Altersgruppen der Erwerbstätigen betroffen …".
- Es ist klar, dass die globale Gesamtlage, der gesellschaftliche Verlust der Zuversicht (A. Reckwitz) und der Anpassungsdruck auf die Unternehmen sich negativ auf die Fähigkeit von vielen Menschen auswirkt, sich optimistisch am stetigen Umbau der Firma zu beteiligten.
Und es wäre wichtig zu akzeptieren, dass Prävention und die Förderung der psychischen Gesundheit als Teil einer nachhaltigen betrieblichen Organisationsentwicklung zunehmend an Bedeutung gewinnt.
- Vor dieser Ausgangslage braucht gute Organisationsentwicklung und CM ganz klar den starken Auftrag von der Geschäftsleitung, dieser Dimension der emotionalen Akzeptanz und psychischer Gesundheit bei notwendigen großen Veränderungsprozessen endlich ein angemessenes Gewicht zu verleihen..
4. Perspektivwechsel: SYSTEM-Qualifizierung statt Schulung einzelner Mitarbeitender
- Oft ist das Thema Change Management an den Unternehmensbereich Human Resources angedockt. Deren automatischer Reflex ist es meist, mit Personen-Qualifizierungsprogrammen auf Unternehmensentwicklungen zu antworten. Dies mag manchmal notwendig sein, - hinreichend ist es nicht.
- Es ist statt dessen unbedingt erforderlich, strategieorientierte Organisationsentwicklung als SYSTEM-Qualifizierung zu verstehen und als echte System-Kompetenz zu praktizieren (und nicht ausschließlich als Qualifizierung von Individuen) .
- Change Management sollte also alle relevanten Elemente eines Organisations- und Führungssystems als das "zu Gestaltende" verstehen: Genauso wie die Schallwellen einer Explosion alles um sie herum in heftige Vibrationen versetzen, sind auch Unternehmen und Behörden gesamthaft und in der Tiefe davon betroffen, wenn es eine signifikante strategische Weiterentwicklung gibt.
Ein Vorschlag: Das neue Selbstverständnis und die neue Beauftragung von Change Management
Um eine deutlich bessere Veränderungskompetenz von Unternehmen zu erreichen, braucht es
- ein neues Verständnis der Rolle von Change Management in der Organisation. Es geht nicht mehr "nur" um Beschaffung von Akzeptanz, sondern CM ist ein professioneller Gestaltungs- und Steuerungsprozess, der im Kern das gesamte Unternehmen in Bewegung bringt – strategisch, strukturell, kulturell und personell
- eine deutlich erweiterte Beauftragung des Change Management mit dieser Systemqualifizierung,
- ein neues Selbstverständnis derer, die Change Management verantworten und betreiben, (CM ist in Zukunft eindeutig mehr als Landschaftspflege im Auenland …)
- eine auf dieses erweiterte Leistungsspektrum hin ausgestattete "Change Management -Stabsstelle" genau wie „Qualitätsmanagement“ oder „Agile“ … (wie immer das in der jeweiligen Organisation zu realisieren ist: Innovative Ideen dazu finden Sie in unserem folgenden Blog!).
Konsequenzen für die Ausbildung von Change-Manager:innen
All diese Punkte zeigen, dass sich die Ausstattung einer solchen Stabsstelle sowie die Ausbildungscurricula für künftige Change-Manager:innen deutlich erweitern müssen.
Neben der klassischen Projektmanagement-Perspektive und (kommunikations-) psychologischen Grundlagen braucht es:
- Vertiefte Strategiekompetenz: Wie wird eine Unternehmens- oder Bereichsstrategie entwickelt und implementiert? Wie lassen sich Marktanalysen, Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrategien systemisch einordnen?
- Systemisch-kulturelle Kompetenz: Um Organisationen ganzheitlich zu verstehen, braucht es einen fundierten Hintergrund in systemischen Theorien und Methoden zur Kultur- und Verhaltensentwicklung. Wer Verhalten ändern will, muss die Verhältnisse ändern!
- Digitalisierungs-Know-How: Change-Manager:innen müssen die Treiber und Mechanismen der digitalen Transformation verstehen, um ihre eigenen Maßnahmen darauf auszurichten.
- Kompetenz in BWL & KPIs: So kann das Change Management die operativen Bereiche besser dabei unterstützen, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Und zudem die Messbarkeit von Veränderungsprozessen verbessern
- Know-How zu Megatrends und Innovationstreibern: Die gesamte Organisation sollte zur Stärkung der eigenen Innovationskraft fundierte Impulse aus der Megatrend- und Zukunftsforschung durch das Change Management bekommen können. Es braucht deshalb kurzfristig Weiterbildungsinitiativen auf diesem Feld.
Fazit
Die Herausforderungen, vor denen Unternehmen heute stehen, erfordern mehr als nur oberflächliche Veränderungen. Ein systemisch durchdachter, emotional intelligenter und strukturell verankerter Change-Management-Ansatz ist der Schlüssel zur nachhaltigen Umsetzung strategischer Veränderungen.
Dafür braucht es:
- Change Management als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie und -Führung
- Eine Change-Management-Stabsstelle mit erweiterten Kompetenzen oder eine andere valide Verankerung, z.B. bei Führungskräften und in Prozessen
- Systemische Qualifizierung statt isolierter HR-Maßnahmen
Indem er Strategie, operative Prozesse und emotionale Dynamik miteinander verknüpft, wird der Wandel zu einem integralen Bestandteil der Unternehmensentwicklung – und könnte so das Auenland vor den drohenden Schatten bewahren ….
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In welche Richtung muss sich Change Management weiterentwickeln, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden? Welche Rolle sollten Change-Manager:innen in Zukunft übernehmen? Teilen Sie Ihre Gedanken in den Kommentaren!